Geschäftsgebahren

4. Feb, 2022

Geschäftsgebahren

Großbritannien : anfangs der Fünfziger. Eine einsame Straße, in einem schönem landschaftlichem Nichts. Keine gute Option wenn die tonnenschwere Luxuskarosse stehenbleibt. Was sie laut eigentlich nie tun darf. Der Gast im Fond genoss die Aussicht und nahm es gelassen. Der Chauffeur in höchsten Nöten. Um nichts anderes als um den Wagen hatte er sich zu kümmern. Niemals durfte ein Stäubchen auf dem Lack liegen. Bei Regen hatte er sich Trocknung zu sorgen und das polieren, das da ja keine Wasserflecken aufkamen. Das öffnen der beiden Flügel zum Motor und die Kontrolle des spiegelblanken Motorraumes hinterließ nicht das kleinste Fleckchen auf seine Handschuhen. Die Sicherungen sind allesamt ok. Alles dicht, alles fest. Weder austretende Flüssigkeiten noch feststellbare Funken die nicht da hingehören. Erst kürzlich hatte der Wagen seine erste Wartung hinter sich. Nach mehreren Kurbelumdrehungen gab der Mann in Livree auf. Vier Liter Hubraum, verpackt in sechs Zylindern ... versagten ihren Dienst. Nichts was den Ausfall hätte rechtfertigen könnte. Nun machte er sich zu Fuß auf den Weg in den nächsten Ort um von einer Gastwirtschaft aus, telefonieren zu können. Der Fahrzeughändler sagte sofort eine Servicewagen zu. Der geplagte Chauffeur trat einen dreistündigen Rückmarsch an. Der Service war bereits vor Ort und bat den Wagen starten zu dürfen. Der Motor sprang nach der ersten vollen Kurbelumdrehung sofort an. Ein sanftes wie vertrautes grummeln der Maschine. Allseitige Erleichterung. Der Service entschuldigte sich für dieses Malheur, verabschiedete sich und fuhr von dannen. Nach drei Monaten wurde der Wirtschafter des Hauses beauftragt, nach der längst ausstehenden Rechnung zu forschen. Sie wäre mehr als überfällig. Die Antwort am anderem Ende des Telefons war : "Ein Rolls Royce ... der geht niemals kaputt".

Indien : Sie sind reich, haben Gold und leben in einer Wüstengegend. Für alles was sie brauchen und nicht selbst herstellen können, geben sie ihre landwirtschaftlichen Überschüsse her. Jedoch erst, nachdem sie Beispielhaft, sozusagen ihren Zehnten verfütterten. In tiefster Verbundenheit pflegen sie die Freundschaften zu wilden Tieren wie Pflanzen.

Die Rede ist von den Bishnoi, einer kleinen religiösen Gruppe in Indien. Es lohnt sich sicher, ihren Tausch Handel etwas näher zu beleuchten. Und die Art wie sie ihre Mitgeschöpfe verteidigen. Sie umarmten einst Bäume, wobei ein jeder von ihnen, wenn ein Baum gefällt wurde, sein Leben ließ.

Heute noch wecken die Wildbestände an Gazellen Begehrlichkeiten mancher Jäger. Das Übelste was dem passieren kann, von den weiblichen Mitgliedern dieses Stammes ertappt und gnadenlos verprügelt zu werden. Ohne Ansicht auf Stand, gar Herkunft oder geschweige denn Prominenz. Wer danach in Bildern sucht, wird schnell verstehen warum das so ist.

Indien II : Dass einer von Ihnen zum Beispiel hunderte Menschen an Personal beschäftigen kann, erfüllt mit Stolz. Sie übernehmen für andere Verantwortung. Ihr Bevölkerungsanteil beträgt etwa ein halbes Prozent. Doch fünfzig Prozent aller sozialen Projekte werden aus ihren Taschen finanziert. Diese finanziellen Früchte sind ist ihren Glaubensgrundlagen geschuldet. Sie achten und fördern das Leben. Es wird sich in Indien traditionell darum gekümmert, um die, denen es schlechter geht.

Niemals würden sie mit Tierhäuten oder Fleisch handeln. Die Rede ist von den vegetarisch lebenden Jains. Sie nutzen unter anderem Ihre selbstverständliche Geschäftsgeschicklichkeit dazu, die Hälfte aller geförderten Rohdiamanten aufzukaufen. Jedes Jahr.

Österreich : Das Wunder von Wörgl, schaffe es während seines kurzen Bestehens, dass ein kleines vorhandenes Vermögen nicht gebunkert, sondern dazu verdammt wurde, es in einer keinen Gemeinde ausgeben zu müssen. Es waren Geldwertscheine welche einfach vergammelten, es sei denn die kleine Gruppe von Bewohnern gab es möglichst schnell aus.

Anstatt irgendwo eingefroren auf einer Bank herumzuliegen, erfüllte der schnelle Umlauf eine kleine autarke Gemeinschaft mit wirtschaftlichen Leben. Zu einer Zeit, als eigentlich gar nichts mehr ging. Natürlich gab es ziemlich schnell einen Gerichtsbeschluss der dieses schlichte Treiben unterband.

Teutonia : Keiner weiß was Genaues. Fakten und Daten wurden gedeckelt. Außer, es ist das Land der Besiegten. Dieses Volk wurde wortwörtlich, mit vollster Absicht, dazu verdammt in Abständen auszubluten. Die Kriege sollten möglichst lange andauern. Ein letztes Dutzend an Jahren der wirtschaftlichen Blüte wurde schriftlich notiert. "Es ist so, als ob sich über dieses Land der duftende Schleier einer Frischvermählten gelegt hätte". So der Eintrag eines prominenten Durchreisenden in sein Tagebuch.

Weltweite Handelsabkommen wären die Ursache gewesen. Zum Teil mit Drittländern deren wirtschaftliche Grundlagen ebenfalls am Boden lagen. Oder besser in ihm. Es wurde nach Ermessen getauscht. Wobei die gegenseitige Großzügigkeit miteinander wetteifert haben dürfte.

Das Gewicht der teutonischen Handelspartner durch eine gewisse Kulanz, wog schwer. Gegen diese Geschäftskultur würden alsbald alle Geschütze dieser Welt aufgefahren werden. Und so war es dann auch. Lediglich ein Waffenstillstand hat bis dato bestand. Es gibt weder Friedensabkommen noch Souveränität.

Mongolei : Am Hofe des Kublai Khan angekommen, erlaubten sich mitgereiste Händler, mitgeführte Waren dem Herrscher persönlich wohlfeil anzubieten. Sie wurden darauf aufmerksam gemacht, dass sie Gäste sind und solche außergewöhnlichen Dreistigkeiten eher dazu führen würden, ganz schnell den eigenen Kopf vor die Füße gelegt zu bekommen. Augenblicklich übergaben sie Ihre gesamten Waren als Geschenke.

Nach einer gewissen Zeit wurden sie natürlich zur Abreise genötigt. Dass sich in ihren Satteltaschen Kostbarkeiten in mehrfachem Werten zu den Verlorenen geglaubten befanden, bemerkten sie erst ab dem Zeitpunkt, als sie sich auf dem Heimweg machten. Marco Polo beschreibt so in etwa, dieses höfische Benehmen in seinem damaligen Reisebericht. Damals ein Bestseller.

Venedig : Ebenfalls ein Venezianer, beschreibt in der "Die Geschichte meines Lebens" sämtliche Glücksumstände wie auch Widrigkeiten der Großzügigkeit. Das Wetteifern damit, verschaffte ihn eine gewisse wie gesellschaftlich geduldete Dominanz. Sein höfisches Benehmen verpflichtete ihn aber auch sich wegen deren Werte zu schlagen wenn es darauf ankam. Tat er auch.

Seinesgleichen, die wie er sein wollte und umwarben, waren natürlich ersucht wie versucht ihn zu übertrumpfen. Wer konnte der tat es. Wer es nicht konnte und den Aufwand mit geliehenen Mitteln betrieb, ruinierte sich dabei. Wer das tat und tut solle sich es also leisten können. Und wer es kann ohne das sein Gegenüber es je ausgleichen könnte, hat eben sein Spaß daran, ohne jemals nachrechnen zu müssen. Es sind die Erfahrungen des Giacomo Casanova.

Oft hat er der Versuchung widerstanden Plagiate, welche als solche nicht sofort erkennbar waren, anzunehmen. Einmal belehrt erbat er sich, geeignete Mittel der angetragenen Kreditwürdigen Freundschaft, zuvor untersuchen zu lassen. Erst dies trennte die Spreu vom Weizen. Von Blender sich die gute Laue verderben zu lassen, davor schotteten er und andere seines Zirkels so gut wie möglich ab.

Erst ab einem gewissen Alter vergab er sich, seine monetären Mittel zum Fenster hinauszuwerfen. Ab dem Zeitpunkt versiegten zwangsläufig auch die Quellen seiner umstrittenen Memoiren. Bedauerlicherweise hören diese nach etwa fünftausend Seiten auf und trage nicht die doppelte Anzahl. Insider berichten, es sei die beste Marketinglektüre aller Zeiten. Nichts anderes wäre lesenswerter.

Florenz : Psychologische Tiefenbetrachtungen über Freigiebigkeit. Das Maß darüber in Freigiebigkeit und Zurückhaltung, die Gründe welche dafür sprechen und das Wider, finden wir im "Der Fürst". Der modern anmutenden Fundgrube des umstrittenen Macht Politikers Niccolo Machiavelli.

Mailand : Hallo, ist hier wer da ? Wer will das wissen ? So kam zurück. Der Papst schicke nach ihn und er solle doch eine Probe seines Könnens abgeben, so hallte es durch den hohen leeren Raum. Ein Künstler, welcher mit dem Rücken hoch oben auf einem Gerüst lag, bequemte sich umständlich herunter. Der Deckenmaler, dessen Ruf weit vorauseilte, sah aus wie ein gewöhnlicher Schmierfink. Dieser vergeudete jedoch keine Zeit, nahm ein Rest Kohlenstift vom Boden auf und zirkelte als Rückantwort einen perfekten Kreis auf das Kuvert der päpstlichen Depesche.

Der verdutzte Überbringer wurde damit stehen gelassen und musste sich lediglich mit dem Kohlekreis in der Hand auf die Rückreise begeben. Papst Leo X. zeigte sich von der Entstehungsgeschichte beeindruckt. Diese einfache Handzeichnung. Die Ausführung war in einer Perfektion wie sie mit einem Zirkel nicht hätte besser gemacht werden können. Dabei hatte sie selbst nichts technisches an sich.

Auf dem Fuße folgte eine Einladung nach Rom. 1513, Leonardo da Vinci zieht für drei Jahre in den Vatikan ein. Dort, im Palazzo del Belvedere, hat er neben anderen auch sein eigenes Atelier.

Afrika : Ohne die indigen Völker, wären wahrscheinlich sämtliche Entdecker bei ihren Erkundungen wie Neubesiedlungen draufgegangen. An den afrikanischen Stränden wurden Waren abgelegt. Den Eingeborenen wurde Zeit gegeben darüber Betrachtungen anzustellen. Eben was sie davon gebrauchen könnten oder nicht. Im Gegenzug häuften sie die Warengüter an, von denen sie annahmen oder wussten das diese von Neuankömmlingen begehrt waren oder eventuell nötig hätten. Waren die Eingeborenen mit den Angebotenem einverstanden und nahmen sie den angebotenen Berg Ware weg. Danach erst kam es zum Gegenzug der Neuankömmlinge. Es waren stets Angebote mit offenem Ausgang. Es wurde davon gegenseitig davon profitiert, was ein jeder zu geben vermochte.

Spanien : Der späte Gast war recht nett, hatte gut gegessen und etwas zu viel getrunken. Die Kravatte saß vielleicht schon etwas schief, und die Sprache schon leicht lallend. Höflich fragte der Gast nach, ob das Haus ihm ein Taxi rufen könnte und fügte in gleichem Atemzug hinzu, dass er eine Kleinigkeit in seinem Hotel hat liegen lassen. Seine bescheidene Geldbörse. Er würde jedoch der Einfachheit halber gern mit einem Bild bezahlen wollen.

Auf die leichten Unmutsbewegungen im Gesicht des aufmerksamen Camarero reagierte der wohlversorgte Gast mit ein paar leichten Zeichenbewegungen, auf einer frischen Serviette. Er signierte das Werk mit seinem guten Namen. Der Camarero bedankte sich höflich und meinte, das es ihm Vergnügen gewesen sei ihn als persönlichen Gast hat einladen zu dürfen.

(Camareo, auf spanisch Kellner)

Die Serviette war signiert mit P. Picasso. Diese Geschichte ist eine frei nacherzählte Anekdote, die so in etwa passiert sein soll. Eine faszinierende Vorstellung, nur mit einer Skizze, gleichzeitig einen wertigen Scheck auszustellen.

USA : Um die Jahrhundertwende. Er, der Pogrome leidig, kam mit den Dampfer aus Russland. Das erste was er tat, sich von seinen zwei Mitreisenden zu trennen. Dann seinen Mantel einem Frierenden zu überlassen und einer Mutter mit Kindern unter einer Treppe, seine letzten finanziellen Mittel. Fast so wie ein Piratenkapitän, der kurz vor der Übernahme des Feindlichen, das eigene Boot zum sinken bringt. Alles oder Nichts.

Da stand er nun, allein In New York. Die Stadt fraß Menschen und spuckte die Gerippe wieder aus. Es interessierte nicht ob er da war oder nicht. Täglich kamen tausende wie hungernde Mittellose an. Der junge Mann suchte sich kleine Jobs. Jeweils für eine Woche am Stück. Die Bleibe war wohl eine der Schrecklichten was zu finden. Der Besitzer schämte sich nicht einmal, dieses erbärmliche Loch zu vermieten.

Da die Ausgaben für Unterkunft gering waren, eine dauerhafte Diät beinahe Gewohnheit, reichte der eine Wochenlohndaus, um sich für drei Wochen der Maloche fernzuhalten. Boris Sidis befand, das sei ein guter Tausch.

Bibliotheken sollten für einige Zeit die Inseln seiner Glückseligkeit werden. Nicht die Unterhaltungslektüren waren das Ziel, sondern Fachbücher. Alsbald wurde seine Kapazität gehandelt und die Öffentlichkeit um Potenzen auf ihn aufmerksam.

Clanedonia : Die Bauern Schottlands spannen die Wolle ihrer Schafe zu einzigartigen Mustern. Jeder Clan hatte bald sein eignes. Gefärbt wurde mit dem was die Natur hergab. Grün zum Beispiel mit Flechten. Was die heimische Wolle ausmacht, ist die generelle Robustheit gegenüber Wetterunbilden. Selbst im Unwetter etwas feucht geworden, reißt sie nicht. Das wussten schon die Wikinger und fertigten damit ihre Sturmsicheren Segel.

Irgendwann wurde die englische Aristokratie auf den einzigartigen Wollstoff aufmerksam. Sie statteten ihre Bediensteten und sich selbst entsprechend, zum Hause gehörend aus. Musterwünsche kamen ins Spiel. Der edle Stoff kam in Mode. Die Nachfrage stieg. Deutlich preiswertere Plagiate, die haltlos viel versprechen, überschwemmten bald den Markt. Kaum zu unterscheiden was von wem ist. Der Fachmann kann es, der Laie eher nicht.

Als Schutz und um die ansässige Bevölkerung zu unterstützen gab es 1910 den Erlass, dass nur die heimische wie ausschließlich handgewebte Insel - Wolle mit Echtheitszertifikaten ausgestattet werden darf. So entstand das Harris Markenzeichen. Der Orb, in rotgestickt, ein Reichsapfel mit dem Malteserkreuz. Dieses Markenzeichen erhält nur der Stoff welcher von Ortsansässigen ganz archaisch auf Handwebstühlen gefertigt wurde.

Kanada : Beispielhaft ein unschönes Zeitgenössisches Muster. Nur vom anderem Ende des Erdballs. Ein deutscher Abenteuer hatte sich in den Kopf gesetzt, mit einem Segelboot den Klondike hinunterzufahren. Mit Familie. Nicht nur dass er dabei beinahe draufgegangen wäre, eine Randnotiz machte besonders hellhörig. Der Besuch einer indigen Ansiedlung. Mit einsetzen der Dämmerung, wurde ihnen vom Ortsansässigen Sheriff jeder Zutritt grundsätzlich verwehrt. Es wäre Lebensbedrohend da des Abend in den Ort hineinzugehen.

Die Errungenschaften der Neuzeit würde alles, was den Einheimischen heilig war, zerstört haben. Mit der aus dem Öl finanzierten Untätigkeit hätten Suff, Prostitution und Drogen Einzug gehalten. Die durchgängig, digitale Erziehung, mit all ihren Nebenerscheinungen, ließ bereits Kinder, Kinder gebären. Verwahrlosung machte sich breit. Beinahe Niemand, der nicht an irgendeiner Zivilisationskrankheit litt.

Einige Kinder waren in der dumpfen Masse auffällig gepflegter. Besser gekleidet, Leutseliger drauf und benahmen sich. Die Quelle war schnell auszumachen. Der eine oder andere Großelternteil, welcher sich immer noch an den alten Werten klammerte, kümmerte sich um die Enkel. Die wenigen, in Traditionen verwurzelten Alten, gingen fischen, jagten und bauten eigenen Früchte an. Wer etwas nachdenkt, müsste von selber drauf kommen, was dem Wert vom Althergebrachten ausmacht.