16. Jan, 2022
Eine ziemlich alte Geschichte aus China. Sie wird hier von mir nach eigenem Empfinden nacherzählt. Höre nun vom Wunsche eines Kaisers. Der wollte einen hübschen Schrank gezimmert bekommen. Es solle in seinem Reich da einen namenhaften Schreiner geben. Dessen Ruf war wiederholt bis an seine Ohren vorgedrungen. Dass er, der Kaiser, noch kein Werk aus den Händen dieses vermeintlichen Meisterhandwerkers hatte, ein Unding.
Nun ergab es sich, dass ein neues Schlafzimmer eingerichtet werden sollte. Zum Anfang sollte es Probeweise ein Schrank sein. Also ließ er den Auftrag überbringen, er möge ihm doch einen hübschen Schrank machen, für ein Schlafgemach. Der Schreiner nahm an. Es blieb ihm ja auch nichts weiter übrig.
Allerdings ließ der erst einmal lange nichts von sich hören. Gefühlt, eine endlose Zeit verrann. Der Kaiser war alsbald alles andere als amüsiert. Was die Sache nicht unbedingt einfacher machte war, dass der arme Mann, ohnehin schon unter Druck, fortan offensichtlich unter Beobachtung stand.
Dann, eines Tages, so konnte berichtet werden, nahm der Schreiner, Werkzeug und Material zur Hand. Er zimmerte drauf los, so dass die Hobelspäne bald den ganzen Boden bedeckten. Zielgerichtet. Bretter und Späne strömten einen angenehm würzigen Duft aus sich selbst heraus. Zedernholz. Innerhalb weniger Tage wurde das Möbelstück fertig. Der Transport zum kaiserlichen Hof, nur noch eine Formsache. Dort wurde es dann sogar ausgestellt. So schön und außergewöhnlich war es in seiner Einfachheit geworden.
Natürlich zitierte der Kaiser den Handwerker zu sich. Ging mit ihm um den Schrank herum, zeigte seine Begeisterung bis in die kleinsten beweglichen Teile. Lobte die absolut nagelfreie Ausführung. Feng Shui ein großes Thema. Schließlich wäre nicht nur die gesamte verbotene Stadt nach dieser Akupunktur der Landschaft ausgerichtet worden. Sondern das ganze Land.
Nun kam der Zeitpunkt sich Luft zu machen. Der Kaiser hakte nach. Warum das denn solange gedauert hätte. Denn er wisse, dass der Zusammenbau nur wenig Zeit erfordert hätte. Und nun, von seiner Antwort würde mehr oder weniger sein kaiserliches Wohlwollen abhängen. Der Mann entschuldigte sich, wie nachfolgend, mit ruhigen und gelassenen Worten.
Zuallererst hätte er Eitelkeit und Einbildung ablegen müssen, dass er, ein kleiner Handwerker für den Kaiser arbeiten darf. Ob überhaupt seine Fertigkeiten und Erfahrungen ausreichen, ein solch großen Haus zu bedienen. Diese Ungewissheit plagte ihn sehr. Eine sehr große weitere Hürde war, ob er überhaupt mit seiner Arbeit, seinem eigenen Stil zu Gefallen wisse. Ob ihm, dem Erhabenen das Ergebnis überhaupt zur Genüge reichen würde.
Der Umstand für den Hof arbeiten zu dürfen, dass dies schon Lohn genug wäre und er eigentlich keinen weiteren erwarten dürfe. Was, wenn er nun doch Lohn bekäme und in welcher Größenordnung. Was er doch alles damit tun könnte um seine bescheidenen Verhältnisse aufzubessern. Nicht auszudenken, wenn Nachfolgeaufträge kämen. Würde er das überhaupt bewerkstelligen können?
Dann der Glanz und Ruhm, sich darin nicht auszuruhen und sich weiterhin seinen eigenem kleinen Tagewerk wie Pflichten überhaupt widmen zu können. Und sollte der Schrank Gefallen finden, gar Lob ausgesprochen werden. Damit umzugehen, so was bekam er nicht in die Wiege gelegt. Der Schwierigkeitsgrad war, diese mögliche Tatsache einfach auf sich beruhen zu lassen. Dann kämen noch die Neider auf den Plan, eine der lästigsten Angelegenheiten. Bei seinem Versagen wären es die Spötter gewesen. Das waren alles Fragen die ihn Tag wie Nacht wach hielten. Seine Zurückhaltung beinhaltete jedoch ein kleines Geheimnis.
Sich von allen diesen geistigen, viel zu beengenden Baustellen frei machen, dies waren die Heftigsten, welche er je erlebt hatte. Erst nachdem er seinen Frieden mit all diesen Gedanken gemacht hat, da erschien von ganz allein das Modell des Schrankes auf dem inneren Bildschirm. So, wie er jetzt vor ihm stünde. In allen möglichen Einzelheiten und genauen Details. Immer wenn er über diese Bildvorgabe verfüge, wäre er überhaupt in der Lage, besondere Ausführungen erledigen zu können. Der Rest ist einfach nur solides Handwerk. Daher bitte er den Umständen entsprechend, ihn zu entlassen und die Wartezeit zu vergeben.
Angesichts der Tatsache, dass Kornelkirsche eines der absoluten Tricky - Hölzer ist, dass die Leute, welche sich dafür interessieren, in der Regel ganz besondere Menschen sind, wird diese fiktive Geschichte, mit jedem angetragenen Wunsch seltsamerweise sehr real und lebendig. Zumindest steht hier eine Beschreibung, wie sie jedes mal mein kleines Dasein etwas erschüttert. Der Ausgang eines Projektes steht bei jeder Ausführung gewissermaßen in den Sternen. An dieses durchaus sehr lebendige Ping Pong Gefühl, daran werde ich mich wahrscheinlich nie wirklich ganz gewöhnen können. Missen möchte ich die Aufregung jedoch auch nicht. Zur Sicherheit fertige ich parallel oft ein zweites Stück. Wenn dieses einer Unachtsamkeit zum Opfer fiele, stünde noch ein drittes bereit. Würde das dann auch noch geschrottet, würde ich den sogenannten "Bittgang nach Canossa" gehen.